Zack, schon wieder so ein uncooles Thema. Aber bei allen Diskussionen und vermeintlichen guten Tipps, wollte ich mal wissen, was denn jetzt eigentlich der Unterschied zwischen reinigen, desinfizieren und sterilisieren ist? Wann sollte man was machen. Und wenn wir schon dabei sind: Reicht Händewaschen oder müssen sie auch sterilisiert werden? Kann man Hände überhaupt sterilisieren? Ich bringe mal ein bisschen Licht in die Dunkelheit der Hygienemöglichkeiten und Begrifflichkeit. Und ich verrate euch, welche Desinfektionsmittel tatsächlich helfen und welche nur Geldmacherei sind.
Stufe 1 – Die Basis: Reinigen
Es ist ganz einfach: Die erste Stufe, die jeder von uns kennt ist das Reinigen. Bei einer Reinigung steht die Entfernung von (meist sichtbarem) Schmutz im Vordergrund. Um es mal auf den Punkt zu bringen – beim Reinigen geht es um die Optik, also um sichtbare Sauberkeit. Die bekommt man mit schlichtem Wischen mit Wasser und Allzweckreiniger hin. Normalerweise reicht das für eine Wohnung super aus, wenn regelmäßig Böden, Türen und Ablageflächen mit einem Reiniger abgewischt werden.
Beim Reinigen bekommt man eine Keimreduktion von 50-80 %
Stufe 2 – Darf es ein bisschen mehr sein? Die Desinfektion
Bei einer Desinfektion geht es um eine Reduktion der Anzahl lebensfähiger pathogener Mikroorganismen durch Eingriffe in deren Struktur oder Stoffwechsel mit Hilfe physikalischer oder chemischer Mittel. Übersetzt bedeutet es, dass bei einer Desinfektion die Anzahl krankmachender Keime verringert wird, so dass von einem Gegenstand keine Infektionsgefahr mehr ausgeht.
Desinfiziert werden Flächen und Gegenstände. Gerade, wenn jemand krank ist, dann sollte eine Desinfektion immer sofort erfolgen, wenn Gegenstände mit Blut und/oder Körperflüssigkeit kontaminiert wurden.
So, jetzt wird es langsam spannender: Eine Desinfektion kann physikalisch oder chemisch sein. Eine physikalische Desinfektion wird wegen ihrer Umweltverträglichkeit und ihrer sicheren Anwendung der chemischen Desinfektion oft vorgezogen. Leider ist sie im Haushalt nur schwer durchzuführen, so dass sie meist in Kliniken und Laboren angewandt wird. Es gibt drei physikalische Desinfektionsmethoden: Strahlen (UV-Strahlen werden z.B. zur Desinfektion von Raumluft genutzt), trockene Hitze (Desinfektion durch das Abflammen hitzebeständiger Materialien) oder feuchte Hitze (Desinfektion durch Dampf, z.B. für Kissen, Decken, Matratzen oder durch Auskochen).
Chemische Desinfektion ist das gezielte Vermindern von krankmachenden Keimen auf Haut-, und Materialflächen durch chemische Mittel (z.B. Alkohole, Aldehyde, Halogene, Phenol). Desinfiziert wird alles, was nicht sterilisiert werden kann – wie zum Beispiel die Haut. Das Desinfektionsmittel wirkt bakterizid, funguzid, viruzid und tuberkulozid, wobei die Wirksamkeit von der Temperatur, der Einwirkzeit, der Dosierung sowie dem Wirkungsspektrum des Desinfektionsmittels abhängt. Chemische Desinfektionsmittel zerstören die Zellwände von Krankheitserregern. Die Wirkstoffe gelangen in das Zellinnere und entfalten dort ihre tödliche Wirkung. Somit haben die Keime keine Chance zu überleben.
Beim Desinfizieren bekommt man eine Keimreduktion von 85-99 %
Desinfizieren und sterilisieren: Was muss ich beim Desinfizieren beachten?
Es gibt ein paar Dinge zu beachten, wenn ihr Desinfektionsmittel benutzt:
- Besorgt euch ein Mittel, das ready to use ist, also nicht angemischt werden muss. So vermeidet ihr Unterdosierung oder Verätzungen.
- Ganz wichtig: Beachtet immer die empfohlene Einwirkzeit! Diese Zeit wird nämlich benötigt, um mindestens 99,999 Prozent der Bakterien, 99,99% der Pilze und 99,9% der Viren abzutöten. (oha, kann ich kleinlich sein!)
- Wenn ihr schon Desinfektionsmittel kauft, dann besorgt sie euch in der Apotheke und lasst euch dort beraten. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal ist der Hinweis „VAH-zertifiziert“ oder „VAH-gelistet“.
- Nicht jedes Desinfektionsmittel wirkt gegen jeden Krankheitserreger. Es gibt Mittel, die beispielsweise Bakterien bekämpfen, aber gegen bestimmten Virusarten gar nichts ausrichten können. Schaut also, dass die Mittel „viruzid“ sind, die den größten Teil der Viren unschädlich machen (z.B. bei Norovirus-Infektionen). Bei „begrenzt viruziden“ Produkten wird nur der Teilbereich der Viren abgedeckt.
- Wenn Flächen desinfiziert werden, dann ist es oft sinnvoll, Einwegtücher zu verwenden. Ohje, ja ich weiß, das ist noch schlimmer für die Umwelt! Aber Putzlappen müssten nach jeder Benutzung heiß gewaschen werden und vergesst nicht: es ist nur vorübergehend.
Nicht jedes Mittel funktioniert – was verwende ich bei SARS-Coronaviren oder dem Norovirus?
Aus aktuellem Anlass habe ich für euch noch ein bisschen recherchiert und fasse euch nun zusammen, was ihr bei der Desinfektion beachten müsst, wenn es um Erreger wie SARS-Coronaviren, Influenza A und B, HIV, aber auch Noroviren oder den Rotavirus geht.** Denn nicht jedes Desinfektionsmittel ist für jeden Erreger geeignet!
Bei Desinfektionsmitteln, die gegen Viren wirken, gibt es drei Kategorien. Dabei geht es immer darum, wie viruzid sie sind, also wie tödlich sie gegen Viren wirken. Die erste Kategorie ist “begrenzt viruzid”, die zweite “begrenzt viruzid PLUS” und die dritte “einfach viruzid”.
Corona und Co.
Die SARS-Coronaviren, Influenza A und B, Hepatitis B/C, SARS, HIV und auch Herpes gehören zu den behüllten Viren. Bei diesen Viren ist ein begrenzt viruzides Mittel ausreichend, um sie mit einem Desinfektionsmittel zu zerstören. Das ist die schwächste Variante! Ich benutze dafür ganz gerne den Klassiker unter den Desinfektionsmitteln, den ihr vielleicht auch aus der Apotheke kennt:
Sterillium Händedesinfektion*Damit das Desinfektionsmittel richtig wirkt, muss die gesamte Oberfläche der Hand ausreichend benetzt werden. Hierfür werden mindestens 3 ml benötigt. Danach müssen die Hände an der Luft trocknen.
Die Fiesen: Norovirus und Co.
Adenoviren, Noroviren, Papillomaviren, der Poliovirus und der Rotavirus gehören zu den unbehüllte Viren für die man ein viruzides Mittel benötigt.
Ein Beispiel, mit dem einige von euch vielleicht schon nette Bekanntschaft gemacht haben: der Norovirus. Beim Norovirus handelt es sich um sehr widerstandsfähige Viren. Sie können mehrere Monate auf Gegenständen überleben und so immer wieder zu Infektionen führen. Die Viren sterben erst bei Temperaturen von unter -20°C oder über 60°C ab. Unbehüllte Viren wie der Norovirus sind deutlich resistenter gegenüber Umwelteinflüssen sowie physikalischen und chemischen Verfahren. Deswegen braucht es hier ein begrenzt viruzid PLUS oder viruzides Mittel. Achtet beim Kauf unbedingt darauf, dass dies auf der Verpackung steht! Oder lasst euch am besten in einer Apotheke dazu beraten.
Wer sich dafür interessiert, welche Händedesinfektionsmittel das Robert Koch Institut empfiehlt, der findet hier die Liste.
Jetzt geht es weiter zur anfänglichen Frage: Desinfizieren und sterilisieren – wofür?
Stufe 3 – Der Oberhammer: Sterilisieren
Etwas zu sterilisieren bedeutet, es frei von vermehrungsfähigen Keimen, wie Bakterien, Pilze, Sporen, Viren etc. zu machen. Dadurch wird ALLES abgetötet! Je nach dem, was sterilisiert werden soll, werden verschiedene Methoden angewendet wie z. B. Dampfdruck-, Heißluft- oder Gassterilisation. Wer zu Hause sterilisieren möchte, der greift meist auf die “Abkochmethode” zurück. Der Faktor Zeit spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Abtötungsrate wird mathematisch als Absterbekinetik bezeichnet. Für das Sterilisieren durch Auskochen in einem Wassertopf wird als Zeitraum mindestens zehn Minuten vorausgesetzt. Beim Abkochen gilt jedoch die Maxime: “viel hilft viel”, denn mit einer Auskochzeit von dreißig Minuten werden auch Hefe, Schimmelpilze und deren Sporen fast sicher zerstört.
Beim Sterilisieren bleiben keine Keime zurück.
Hände waschen oder Desinfektionsmittel benutzen?
Aber was ist nun mit dem vermehrten Händewaschen? Oder desinfiziere ich nicht lieber doch? Im privaten Alltag, also zu Hause, genügt es, sich gründlich die Hände zu waschen, um sich vor einer Infektion zu schützen oder zu verhindern, dass Erreger in die Wohnung gelangen.
Nur wenn im Umfeld besonders infektionsanfällige Menschen leben, kann anstelle von Händewaschen die Händedesinfektion sinnvoll sein. Denn bei der Versorgung von kranken Menschen ist es wichtig, dass die Anzahl an Keimen auf den Händen deutlich reduziert wird. Deshalb werden die Hände hier desinfiziert und nicht gewaschen.
Ich habe jetzt schon ein paar Mal gehört, dass das Waschen der Hände mit heißem Wasser besser ist. Tatsächlich ist das falsch! Denn die Haut wird durch heißes Wasser geschädigt – besser ist lauwarmes Wasser. Der keimreduzierende Effekt beim Händewaschen ist nämlich ein mechanischer, wenn die Keime von der Hand abgespült werden.
Um einen keimreduzierenden Effekt zu erzielen, muss man die Hände gründlich waschen. Zum einen ist dabei die Zeit ein wichtiger Faktor – etwa 30 Sekunden. Zum anderen müssen Fingerkuppen, Nagelbetten und Fingerzwischenräume mit Seife gründlich eingerieben werden, da sich in der Regel die höchsten Keimzahlen befinden.
Handdesinfektion für die Tasche
Grundsätzlich reicht das Händewaschen aus, wenn man nach Hause kommt. Für Menschen, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko habend (chronisch Kranke oder Patienten mit einem nicht voll funktionsfähigen Immunsystem), könnten in der Wintersaison vom Gebrauch von Händedesinfektionsmitteln jedoch profitieren.
Ich gebe zu, dass ich immer ein kleines Handdesinfektionsfläschchen in der Handtasche habe. Es ist ein bisschen wie Voodoo und wie der Regenschirm, den man besser dabei hat, wenn es nicht regenen soll 😉
Wer es natürlich mag
Der gesamte Artikel ging jetzt um konventionelle Desinfektionsmethoden, desinfizieren und sterilisieren. Wer an natürlichen Varianten interessiert ist, dem empfehle ich meinen Artikel zu ätherischen Ölen und deren medizinischen Wirkweisen.
Sooo, das ist jetzt erst einmal das Wichtigste. Habt ihr persönlich Erfahrung oder weitere gute Tipps?
**Ich bin keine Ärztin und gehöre auch sonst nicht zu medizinischem Fachpersonal. Meine Beiträge verfasse ich nach einer fundierten journalistischen Recherche und nach Rücksprache mit Fachleuten. Trotzdem ist dies nur ein Rat und ersetzt keine medizinische Beratung, wenn es um Einzelfälle geht.
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Comments (8)
Lisa
Liebe Sabine, es ist toll, dass Du uns so umfangreich informieren möchtest. Allerdings würde es mich nicht nur in Anbetracht der aktuell kursierenden Falschmeldungen zum Coronavirus, sondern auch in Hinblick auf die bessere Nachvollziehbarkeit freuen, wenn du die Quellen Deiner journalistischen Recherche und Interviews mit Experten im Text oder in Fußnoten angeben würdest. Damit könnten wir LeserInnen uns ein eigenes Bild machen und gegebenfalls umfassender zu einem bestimmten Aspekt informieren. Andernfalls ist Dein Beitrag nicht mehr als es ein Gastbeitrag in einer beliebigen, nichtwissenschaftlichen Zeitschrift ohne Experteninterview wäre. Somit ist er mit Vorsicht zu genießen, wenn es um Ratschläge mit Auswirkungen auf die Gesundheit geht - nicht nur in Einzelfällen, sondern generell. Zum Sterilium-Desinfektionsmittel: Auf meiner Flasche Sterilium(R) classic pure 100 ml von BODE Chemie GmbH ist nirgendwo '„VAH-zertifiziert“ oder „VAH-gelistet“' angegeben und sie ist aus der Apotheke (verwendbar bis 11.2022, d.h. wahrscheinlich nicht das älteste Modell). Mit freundlichen Grüßen, Lisa
Chris
Hallo Sabine, vielen dank für diese tollen Tipps und deine Auflistung. In der jetzigen Zeit sehr hilfreich. Viele Grüße und weiter so!
Marie de Jonge
Vielen Dank für die Reinigungstipps! Auch mein Haus muss gründlich gereinigt werden, und ich möchte meine Küche richtig desinfizieren. Ich werde auf die Inhaltsstoffe der Reinigungsprodukte achten, damit sie für die Verwendung in Wohnräumen geeignet sind.
Petra Samm
spitzenmäßiger Artikel, Sabine. Vielen Dank! :)
Anna
Vielen Dank, dass du die verschiedenen Methoden der Desinfektion vorstellst. Ich wusste gar nicht, dass durch einfache Reinigung nur 50-80 % der Keime reduziert werden. Mein Freund möchte unbedingt ein professionelles Dampf-Reinigungsgerät. Vielleicht ist das wirklich eine gute Idee, gerade für Polstermöbel.
Jade Labrentz
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Hygienemöglichkeiten. Das waren wirklich sehr umfangreiche Informationen. Wir arbeiten auch jetzt während Corona-Zeiten weiterhin im Büro und legen dafür immer mehr Wert auf eine professionelle Büroreinigung. Natürlich geht diese in Richtung der Stufe 1, wo während der Reinigung die Entfernung von Schmutz im Vordergrund steht. Aber meiner Meinung nach, ist es hier auch möglich einiges zu desinfizieren, wenn es die richtigen Mittel dafür gibt. Wir waschen uns hier im Büro immer gründlich die Hände und haben auch Handdesinfektionsmittel auf den Tischen. Jeden Morgen muss jeder seinen Tisch mit Desinfektionstüchern reinigen und ich denke, das ist schon mal ein guter Fortschritt. Danke
Annika
Vielen Dank für diesen hilfreichen Beitrag! Ich greife auch bei Putzen und Desinfizieren gerne mal zu natürlichen Hausmitteln wie Essig. Es ist mir wichtig naturschonen zu reinigen. Viele Grüße Annika
Manfred
Ich glaube auch, dass die Einwirkzeit bei Desinfektionsmitteln oft nicht beachtet wird. Bei Reinigungsunternehmen vielleicht schon, aber privat habe ich Zweifel. Durch Corona sind die Menschen natürlich besser informiert. Ich hoffe, dass die Menschen weiterhin in die Armbeuge niesen, auch wenn Corona vorbei ist.