Mein Gehirn ist eine Autobahn mit Rasern, Staus und verwirrenden Autobahnkreuzen. Es gab Zeiten, da hasste ich meinen Kopf. In meiner Kindheit war ich nämlich so damit beschäftigt, meine Gedanken zu sortieren, dass ich manchmal schier verzweifelt bin. Das wurde in der Pubertät etwas besser, aber ich habe heute immer noch ein hyperaktives Gehirn, das wild durch die Gegend denkt und rast. Die schlimmste Situation: ich bin müde oder krank und trotzdem rödeln meine Gedanken vor sich hin. Hände hoch, wer das auch kennt!
Bei mir ist es teilweise so schlimm, dass ich Panikattacken bekomme. Der Kopf rast und irgendwann spielt dann auch der Körper mit. Vereinfacht funktioniert das so: Man denkt immer im Kreis, gerne auch das Selbe immer wieder. Stellt euch vor, ihr lauft dabei im Kreis auf einer Rasenfläche. Nach den ersten paar Runden sieht man Abdrücke, wo ihr immer wieder entlang gelaufen seid, ganz schnell habt ihr aber einen richtigen Weg geebnet. So ist das auch mit unserem Hirn. Wir können da ganz vorzüglich Denkmuster einschleifen, Denkstrukturen vertiefen, die wir immer wieder denken. Trampelspuren in unserem Gehirn. Das ist toll, wenn man etwas erlernen möchte, aber nicht so gut, wenn man aus dem Teufelskreis nicht herauskommt. Da bin ich übrigens ganz vorne mit dabei!
60.000 Gedanken
Unserer aller Gedanken umfassen unsere ToDo-Listen, Aufgaben, Sorgen, Zweifel, Ängste, familiäre Verpflichtungen und unsere Darstellung nach außen. Ich habe mal gelesen, dass wir täglich mehr als 60.000 Gedanken haben. Ich fand das jetzt eher niedrig, aber trotzdem ist es eine beeindruckende Zahl, die ziemlich deutlich zeigt, warum wir manchmal so überfordert sind. Jeden Tag rennen wir von vorne los, um zu arbeiten, in die Schule gehen, die Familie zu versorgen, einzukaufen, Essen zu machen, zu schlafen, wieder aufzustehen. Und um all diese Aufgaben rechtzeitig zu bewältigen, greifen wir auf mehr oder minder sinnvolle Techniken zurück. Und ich sage nur ein Wort: Multitasking …
Unordnung im Kopf
Ich vereinfach es mal: Dieses gesamte Chaos in unserem Kopf ist wie das Chaos in unserer Wohnung. Wenn wir nicht aufräumen, latschen wir irgendwann durch Klamottenhaufen und Krümmelberge. Und je mehr Unordnung entsteht, desto undurchsichtiger wird der Berg und schwieriger zu beseitigen. Und so ist es auch im Kopf. Die Wäschberge sind die Gedankenwuste. Wir denken auf irgendwas rum, drehen und wenden es, legen es beiseite auf den großen Stapel, werfen schnell noch den Einkaufszettel und die ToDo-Liste oben drauf und wundern uns, dass wir keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Wir brauchen also eine Strategie gegen die Wäscheberge in unserem Kopf!
Keine Zeit, um Luft zu holen
„Boah, ich hab grad keine Zeit, Luft zu holen!“ – ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon gesagt habe. Aber er ist genau der Ausspruch, um den es eigentlich geht. Wie ein Hamster im Rad rennen wir durch die Gegend und mit uns unsere Gedanken. Wir müssen mal durchschnaufen – anhalten, um Atem zu holen und uns auf unsere Atmung zu konzentrieren Und für das Durchschnaufen für das Gehirn gibt es eine prima Methode: Meditation!
Meditation? Ohne mich!
„Jaaaaaa, Himmel!“, werdet ihr denken, „jetzt springt sie auch noch auf diesen Zug!“ Erst vegan, dann transzendental ;-). Da ich ja schon immer ein Superhibbel war, habe ich während meines Studiums mehrere Meditationskurse mitgemacht. Und ja, die waren sehr obskur. Mit Guru und fliegenden Meditierenden und Weltfrieden und persönlichem Mantra. Das hat mir dann erst einmal die Lust auf Experimente genommen.
Und ich sag es mal frei raus: ich bin weder der Mensch fürs Schweigekloster noch für Meditationsexzesse. Nein, das passt nicht zu mir. Ich kann kaum ruhig sitzen, geschweige denn konzentriert atmen. Ich habe mir doch tatsächlich letzten Sonntag den Rücken beim Einatmen gezerrt. Das muss man erst mal hinbekommen!
Leider ist mein Körper der Ansicht, dass er keine Ruhe braucht. Ich schon. Und mein Kopf auch. Und so habe ich mich breitschlagen lassen, mich doch noch mal mit dem Meditieren zu beschäftigen.
Na gut, also meditiere ich mal
Aber was ist Meditation denn eigentlich? Meditation ist ein mentales Training für den Geist, wie Fitness ein Training für den Körper ist. Diese Praxis ist seit Urzeiten bekannt. Viele Menschen, die sich um ihre Gesundheit, Produktivität und Erfolg kümmern, wenden Meditation täglich an, um ihre Effizienz zu steigern und nach einem anstrengenden Tag Ruhe zu bekommen.
Meditation? Und wie?
Meditation ist nicht gleich Meditation. Es gibt grob drei unterschiedliche Formen: Bei der Konzentrationsmeditation soll sich der Meditierende auf ein Objekt konzentrieren, bei der zweiten Art soll er möglichst großes Mitgefühl für andere Menschen entwickeln. Die wissenschaftlich am besten untersuchte Form ist die Achtsamkeitsmeditation. In ihr geht es darum, sich von all seinen Gedanken zu lösen und sie wie Wolken vorbeiziehen zu lassen. Meistens wird empfohlen, sich zum Einstieg auf den Atem zu konzentrieren: Tief einatmen. Ausatmen.
Kleine Schritte zum Anfang
Wie man am besten beginnt?
Kleinen Schritten! Ich habe mit einer mini Atemmeditation begonnen.
Versuche einfach, jeden Tag zehn Minuten Stille einzubauen. Das kann anfangs das Lesen eines meditativen Buches sein oder ein Eintrag in ein Tagebuch (für mich toll, weil: da tut man was). Der nächste Schritt: hört eine Meditations-CD oder sucht euch eine Meditations-App. Ich habe Calm und Insight Timer und da gibt es Minimeditationen, von ein paar Minütchen, die sogar ich ohne Hin- und Her-Rutschen schaffe.
Es ist egal, welche Form du wählst. Wichtig ist, dass du jeden Tag etwas Ruhe findest, um das Durcheinander aus deinem Verstand zu beseitigen. Ich kann jetzt erzählen, wie toll das alles ist und wie super das bei mir klappt, aber ganz ehrlich: nein, das ist ein bisschen bei mir so wie beim Schulsport. Ich möchte motiviert sein und plumpse dann doch mit einer 4 in den Sand. Denn das Praktizieren von Meditation und Achtsamkeit ist am Anfang schwierig. Aber alles, was schwierig ist, wird im Laufe der Zeit beim Üben leichter.
Und warum funktioniert es irgendwann?
Tja, warum funktioniert das Meditieren irgendwann dann doch? Und warum gibt es so ein wunderbares Ruhegefühl? Ich habe mal gelesen, dass das Praktizieren von Achtsamkeit ist leider nicht wie das Nehmen einer Pille ist, die schnell wirkt und die Blut-Hirn-Schranke bei Bedarf durchquert, um ein sofortiges tolles Gefühl zu erzeugt. Im ersten Moment dachte ich: Och, wie schade! Aber eigentlich ist es doch genau umgekehrt! Gäbe es eine Tablette, die Ruhe & Gelassenheit, weniger Schmerzen, eine Vorbeugung gegen Alzheimer (alles ohne Nebenwirkungen!), dann könnte man damit ein Vermögen machen und ich würde sie ohne zu Zögern einwerfen. Die tolle Nachricht ist: Wir haben diese „Tablette“ in uns. Wir müssen sie nur noch durch regelmäßige Meditation aktivieren. Alles kostenlos – nur auf dem Beipackzettel steht, dass sie eben nicht sofort wirkt, sondern erst nach ein paar Einnahmen. Das ist ja bei vielen Medikamenten so!
Genauso wie wir Klavier spielen lernen können, können wir Wohlbefinden und Glück lernen. Vor nicht allzu langer Zeit dachte man, dass das Gehirn, mit dem wir geboren wurden, statisch ist – dass die neuronalen Schaltkarten, die wir erhalten, nach einem bestimmten Alter die einzigen sind, die wir langfristig nutzen können. Heute wissen wir jedoch, dass sich das Gehirn über seine gesamte Lebensdauer hinweg ändert. Das Gehirn ist so konzipiert, dass es sich ständig anpasst.
Das bedeutet, dass wir absichtlich die Plastizitätsänderungen in unserem Gehirn gestalten können. Auf gut Deutsch: Das Gehirn ist formbar! Man spricht dabei von der Plastizität des Gehirns und meint damit die Fähigkeit des Gehirns, sich durch Lernprozesse, Erfahrungen und den Erwerb neuer Fähigkeiten immer wieder neu zu vernetzen und seine Strukturen umzugestalten. Wir können unsere Hirnstrukturen also ändern! Indem wir uns zum Beispiel auf positive Gedanken konzentrieren.
Für Menschen wie mich, die gerne den Dingen auf den Grund gehen, gibt es Forschungsbericht zu dem Thema Meditation. Und darin findet man beispielsweise Folgendes:
In den 1980er Jahren stieß der Dalai Lama Studien zur Hirnforschung und dem Buddhismus an. Es wurde das Mind & Life Institute in Hadley (Massachusetts) gegründet, das die “kontemplative Neurowissenschaft” erforschte. Ziel der Organisation ist es, einen Dialog zwischen moderner Wissenschaft und Buddhismus zu fördern. Durch die enge Kooperation des Dalai Lama mit prominenten Hirnforschern – wie beispielsweise Richard Davidson oder Wolf Singer – wurde dadurch eine enorme Breitenwirkung erzielt. Inzwischen zeigen etliche Untersuchungen, dass Meditation zum Beispiel depressive Verstimmungen und chronische Schmerzen lindert sowie das Konzentrationsvermögen und Wohlbefinden fördert. In einer Reihe von Gehirnforschungen mittels Längsschnitten mit Kernspin konnten die Forscher folgendes beweisen:
Nach 8 Wochen täglicher Meditation (ca. 30 Minuten)
- wird Dauerstress sichtbar reduziert
- der Cortisolspiegel,, der bei Stress sehr hoch ist, wird signifikant reduziert
- nimm die Amygdala, bekannt als das “Kampf- oder Flucht”-Zentrum unseres Gehirns und der Sitz unserer ängstlichen Emotionen, im Gehirnzellenvolumen ab.
- werden Angstzustände reduziert (Konnektivität zwischen präfrontalem Cortex und Amygdala wurden verändert)
- wurde eine erhöhte kortikale Dicke im Hippocampus festgestellt. Der Hippocampus ist der Teil des limbischen Systems, der Lernen und Gedächtnis regiert, und ist außerordentlich anfällig für Stress und stressbedingte Störungen wie Depressionen oder PTBS.
- konnten starre Reaktionsmuster, die im Gehirn verankert sind, verändert, oder aufgelöst werden
- Prävention von Alzheimer-Demenz
Meditation: Sofort loslegen!
Also sollte man doch nach diesen wunderbaren Ergebnissen sofort loslegen, oder!? Es ist also genauso wie bei unseren Wäschestapeln im Schlafzimmer: Der innere Schweinehund muss nur mal kurz an die Leine gelegt werden und schon können wir für entspannte Ordnung sorgen!